Zu Fuß von Berlin nach Kaliningrad (Königsberg)

Tagebuchaufzeichnungen - 7. Tag

Dienstag, 29. August 2006 - Flucht an den Straßenrand

Von Swierkocin (Fichtwerder) nach Gorzow Wielkopolski (Landsberg an der Warthe), 20 Kilometer

Für Übernachtung, eine warme Suppe und Frühstück zahle ich in Swierkocin (Fichtwerder) auf dem Bauernhof 50 Zloty, also etwa 12,50. Es regnet, als ich gegen halb neun das Gehöft verlasse.

Ahornbäume begrenzen die Landstraße 131 Richtung Nowiny Wielkie (Döllensradung). Keine Menschenseele ist zu sehen. Linkerhand lockt ein "Safaripark" junge Gäste zur Dschungelnacht. Das Riesenrad auf dem Fun-Gelände trieft im Dauerregen wie das Wasserrad einer überdimensionalen Wassermühle.

Riesenrad im Safaripark  bei Nowiny Wielkie (Döllensradung): Wie ein aufgebocktes Wasserrad

 

 

 

 

Dunkelgraue, dickbäuchige Wolken hängen in die Baumspitzen. Auf dem Asphalt sammelt sich Regenwasser in Spurrillen. Fuß- und Radwege fehlen. Ich muss auf der Straße gehen. Autos rasen auf mich zu, schlagen kurz vor mir einen Haken und zwingen mich immer wieder, in das nasse Gras am Straßenrand zu springen. Nach wenigen Metern sind meine Schuhe durchweicht.

Ich habe das Gefühl, dass die Trekkingtreter von Deutschlands größtem Discounter meine Füße ruinieren. Nur 13,90 Euro hatte ich in Hamburg für die Billig-Latschen hingelegt. Freunde und Kollegen hatten sich amüsiert ob meiner Knickrigkeit und mich gewarnt. Gutes Schuhwerk sei das A und O für eine ausgedehnte Wanderung. Ich wusste es besser und verzichtete auf teure Wanderschuhe, die das Zehnfache kosten sollten. Missmutig latsche ich weiter.

Ahornallee vor Nowiny Wielkie (Döllensradung): Bei Gegenverkehr Flucht in den nassen Rasen am Straßenrand

 

 

 

 

In Nowiny Wielkie verlegen Straßenarbeiter auf dem Gehweg vor einem neuen Supermarkt Pflastersteine. Ein kräftiger Kerl stapelt zehn Steine übereinander, umfasst sie mit beiden Armen und reißt sie wie ein Gewichtheber mit Schwung aus dem Kreuz vor seinen Bauch. Breitbeinig wankend schleppt er sie fünf Meter weiter zu seinem Vorarbeiter. Ächzend setzt er dem die Ladung vor die Füße.

Eine Arbeitsweise wie in den 50er Jahren. Als kleiner Junge beeindruckten mich die Bauarbeiter. Stein auf Stein stapelten sie auf ein Brett, das schulterhoch auf zwei Holzböcken lag. Dann stemmten sie ihre Schulter unter die Ladung. Mit dem Steinhaufen erklommen sie die Sprossenleitern - stiegen Stockwerke hinauf. Alles im Akkord. Zeit war Geld, hieß es. Bald war der Rücken kaputt. Heute hieven Kräne die Last über große Distanzen bis in jede Höhe.

Kirche von Jenin (Gennin): Unmittelbar an der ehemaligen Reichsstraße 1

 

 

 

 

Im nächsten Ort, in Bogdaniec (Dühringshof), gönne ich mir in einem Imbiss bei einem heißen Milchkaffee eine Pause. An vielen Häusern wird herumgewerkelt. Sie werden isoliert, bekommen neue Türen, Fenster und Dächer, die zumeist aus imitierten Blechziegeln bestehen. Kuriose Gartenzäune begrenzen die Grundstücke. Ich fotografiere die tollsten Kreationen - darunter einfach angereihte Holzlatten, Einfriedungen aus phantasievoll gebogenen Moniereisen oder in Beton gegossene Trennwände, rostbraun oder froschgrün gestrichen. Eine Fotoausstellung mit Motiven polnischer Gartenzäune, das wär's! 

Gegen 13 Uhr erreiche ich Wieprzyce (Wepritz), einen Vorort von Gorzow Wielkopolski (Landsberg an der Warthe). Vor der Kirche steht ein Denkmal, das dem 1852 in Wepritz geborenen Kunstprofessor Ernst Henseler und seiner Frau das Anna, geb. Schiele, gewidmet ist. Mit einer ausführliche Vita in polnischer und deutscher Sprache ehrt die Gemeinde den "Warthemaler", der die "Atmosphäre vom damaligen Wepritz, Giesenaue, Loppow und Gestalten ihrer Bewohner in unzähligen Handzeichnungen, Studien, Ölbildern verewigte". 

Denkmal in Wieprzyce (Wepritz) für Anna Henseler, geb. Schiele, und ihren Mann den Kunstprofessor Ernst Henseler, geboren am 31. März 1852 in Wepritz: Der "Warthemaler" verewigte Atmosphäre und Gestalten der Region

 

 

 

 

 

 

Ab Wieprzyce (Wepritz) verlaufen parallel zur Chaussee nach Gorzow Straßenbahngleise. Ich bin am Ende meiner Kraft und komme nur noch mühsam voran. Meine Füße schmerzen höllisch, ich kann kaum noch laufen. Unvermeidlich taucht die Frage auf: "Warum tust du dir das eigentlich an?"

Erschöpft lasse ich mich an einer Straßenbahn-Haltestelle nieder. Beginne zu grübeln. Dann die erlösende Idee: Ich schließe mit mir einen Pakt. Er beinhaltet: Lokalen Nahverkehr darf ich ab sofort nutzten. In die Straßenbahn zu steigen, widerspricht nicht meinem unbeeideten Gelübde, niemals einen fahrbaren Untersatz auf meinem Weg nach Kaliningrad  zu nehmen. Schon stellt sich ein gutes Gewissen ein. Wann kommt die nächste Tram?

An der Haltestelle frage ich eine Frau nach dem Weg in die  Innenstadt. „Tak, Tak“, hier sind sie richtig, verdeutlicht sie mir. Sie würde gern mehr erklären. Nur: Ich verstehe sie nicht. Da kommt die Bahn über die ausgefahrenen Gleise angeschlingert. Samt sperrigem Rucksack schiebt mich die hilfsbereite Dame durch die schmale Eingangsstür.

Fahrkarten zu lösen ist in jeder Stadt eine eigene Wissenschaft. Das weiß ich inzwischen. In Polen ist es nicht anders als in Deutschland. Wie komme ich an einen gültigen Fahrschein? Kaufe ich ihn bereits vor Antritt der Fahrt im Kiosk oder an einem Automaten, in der Bahn bei einem Kontrolleur, oder vielleicht beim Fahrer? Reagieren die Automaten womöglich nur auf bestimmte Münzen? – und wichtig! müssen die Tickets sofort entwertet werden, oder ist das überflüssig?

In der Straßenbahn stecke ich mit meinem Rucksack zwischen den Fahrgästen fest. In naivem Vertrauen halte ich meiner Helferin mein geöffnetes Portemonnaie hin. Sie schnappt sich einige Groschys und drängelt sich nach vorn zum Straßenbahnfahrer. Als er die Waggons an der nächsten Haltestelle  zum Stehen bringt, wendet er sich den Fahrgästen zu, öffnet sein Schiebefensterchen und reißt eine Fahrkarte von der großen Rolle. Meine Helferin kämpft sich zurück und drückt mir triumphierend ein Ticket in die Hand. Ich schaue in die Gesichter der anderen Fahrgäste und werde das Gefühl nicht los, dass alle Blicke auf mich gerichtet sind. Der sonderbare Wanderer und seine Helferin haben in der Straßenbahn für Kurzweil gesorgt.

Dom St. Marien in Gorzow Wielkopolski (Landsberg an der Warthe): Werbung für das Stadtjubiläum "Jubileusz Miasta, 750 Last, Gorzow Wielkopolski 2007"

 

 

 

 

Meine Fahrkartenbeschafferin steigt, wie ich, in der Stadtmitte aus. Sie rät mir, im Hotel "Mieszko" zu übernachten und weist mir den Weg zum Rathaus. Zum Abschied steckt sie mir eine Visitenkarte zu. „Massage“ lese ich darauf. Was bedeutet das denn?, frage ich mich. Sehe ich so erholungsbedürftig aus, dass ich mich erst einmal durchkneten lassen sollte? Oder...? Bevor ich weitere Fragen stellen kann, ist die Dame zwischen den Passanten verschwunden.

Ich bin orientierungslos, ausgesetzt mitten in der Stadt. Was mache ich in Gorzow? Wo komme ich unter? Umständlich krame ich aus meinen Rucksack einen Zettel hervor, eine ausgedruckte E-Mail meiner polnischen Kollegin Marta G. aus Warschau. Im Vorfeld meiner Expedition hatte ich Kontakt zu ihr aufgenommen, um mir ein paar Tipps einzuholen. Jetzt lese ich nochmals ihre Info:

"ZUERST EINIGE SACHEN, DIE VIELLEICHT SELBSTVERSTÄNDLICH SIND, ABER ICH SCHREIBE SIE TROTZDEM AUF:

1.   Es kann problematisch sein, mit der Kreditkarte zu bezahlen (besonders mit American Express). Kleine Hotels oder Pensionen akzeptieren normalerweise nur Bargeld.

2.   Kein Euro, Zloty ist die Währung.

3.   Wasser an öffentlichen Plätzen und auf der Straße ist nicht trinkbar.

4.   Für Toilette muss man bezahlen (1 Zloty ist der gewöhnliche Preis). Manchmal gibt es keine Aufschrift "Toilette", sondern nur die Symbole Kreis = Damentoilette und Dreieck = Männertoilette.

5.   Es ist unwahrscheinlich, als Anhalter mitgenommen zu werden.

6.   Alarmtelefon für die Ausländer – funktioniert im Sommer von 10 - 22 Uhr: 0 800 200 300 (Vom Handy) oder 0048 608 599 599 

Man kann sich dort melden, wenn einem etwas gestohlen wird, wenn man sich verläuft, wenn man nicht weiß, wo man ist logistische Hilfe braucht. Sie sind verbunden mit der lokalen Polizei und anderen öffentlichen Diensten. Man kann sich dort auf Deutsch verständigen."

In Gorzow Wielkopolski, so schlägt sie weiter vor, solle ich mich an das "Amt für Promotion im Rathaus an Malgorzata P. oder Boguslaw B. wenden. Die beiden sprechen Deutsch und können Ihnen von der Stadt erzählen und auf Kulturereignisse hinweisen. Das Amt arbeitet bis 15 Uhr. Gorzow  feiert  750. Jahrestag der Stadt.  Angela Merkel wurde sogar eingeladen, hat man mir erzählt. Jetzt bereiten sie sich darauf vor."

Wirklich eine äußerst nette Kollegin.

Pauksch-Brunnen in Gorzow Wielkopolski am ehemaligen Alten Markt: Junge Frauen treffen sich zum Plausch

 

 

 

 

Bevor ich zum Gorzower Rathaus stürme, entschließe ich mich, erst einmal das von der guten Fee aus der Straßenbahn empfohlene Hotel "Mieszko" aufzusuchen. Ich möchte mich meines Rucksacks entledigen und benötige dringend eine Dusche. Problemlos finde ich das Drei-Sterne-Hotel im Stadtzentrum. Das Gebäude ist ein schmuckloser Achtziger-Jahre-Bau. Er erinnert, obwohl frisch in graugelb gestrichen, an Plattenbauten trister Trabantensiedlungen, die es in Polen zuhauf gibt.

Als ich das Foyer betrete, bin ich überrascht. Es ist elegant, fast edel ausgestattet. In meiner Wanderkluft mit dem riesigen Rucksack auf den Schultern fühle ich mich fehl am Platz. Werden auch verschwitzte Vagabunden aufgenommen? Freundlich lächelnd schiebt mir eine junge, elegant gekleidete Frau einen Zimmerschlüssel über den Tresen. Zahlende Gäste sind immer willkommen! Das Zimmer im 7. Stock kostet 180 Zloty (46 Euro) pro Nacht. Eine stolze Summe. Ärgerlich. So viel Geld wollte ich für Übernachtung nicht ausgeben.

Die Dusche wirkt belebend. Per Handy versuche ich Kontakt zur Stadtwerbung aufzunehmen. Die Leiterin, Frau P., die mir meine Kollegin als Ansprechpartnerin empfohlen hat, ist nicht mehr im Büro zu erreichen. Ach ja, um 15 Uhr ist Feierabend. Spontan entscheide ich, einen weiteren Tag in Gorzow zu bleiben. Morgen werde ich es noch einmal versuchen. Außerdem muss ich mich unbedingt von den Strapazen der ersten Wandertage erholen. Meine Füße brauchen Pflege. Hinzu kommt ein merkwürdiges Druckgefühl am Herzen. Kann es sein,  dass meine Pumpe ab und zu aus dem Rhythmus gerät? Unwillkürlich greife ich mir an die Brust und atme tief ein. Beschwerden solcher Art hatte ich noch nie! Aber vielleicht ist alles nur Einbildung?

Nach kurze Ruhephase raffe mich zu einem Stadtrundgang auf. Es ist kalt geworden und sieht nach Regen aus. Im Stadtzentrum beeindruckt mich die spätgotische Pfarrkirche St. Marien, ein stämmiger Backsteinbau aus dem 13. Jahrhundert. Zwei grün-weiß-rote Fahnentücher hängen an der Turmmauer und künden vom bevorstehenden Stadtjubiläum: "Jubileusz Miasta, 750 Last, Gorzow Wielkopolski 2007".

Um den Kirchenbau reihen sich prächtige Bürgerhäuser. Hinter dem Kirchenschiff befindet sich der ehemalige „Alte Markt“ mit dem so genannten Pauksch-Brunnen. Er ist nach seinem Stifter, dem Landsberger Unternehmer Hermann Pauksch, benannt. Die Hauptskulptur stellt ein stattliches Frauenzimmer dar. Auf ihren Schultern liegt ein Balken, an dessen Ende Wassereimer hängen. Sie erinnert mich an ihr männliches Pendant: den Hamburger Hummel. Der allerdings schleppte kein frisches Brunnenwasser, sondern "Schiete" in seinen Eimern, also: Mors, Mors.

Neben der Fontäne sitzen junge Mütter mit ihren Kindern und plauschen miteinander. Am Rande des Marktes bieten Studenten gebrauchte Schulbücher an. Demonstrativ hält ein junger Mann zwei Lehrwerke in meine Kamera. In der rechten Hand ein Mathematik-Buch, linkerhand eines zum Erlernen der Deutschen Sprache. Titel: „Alles klar". Wenn nur alles so klar wäre.

Verkauf von alten Schulbüchern: „Alles klar". Wenn nur alles so klar wäre

 

 

 

 

Siedler aus Brandenburg, Niedersachsen und Westfalen gründeten im Jahre 1257 die Stadt an der Warthe. Gesichert durch Stadtmauer und Tore diente sie als Bollwerk gegen die nahe gelegene polnische Grenzfestung Zantoch. Doch kluge Bürger  nutzten die günstige Randlage, schotteten sich nicht ab, sondern entwickelten den Flecken zu einem bedeutenden Handelsplatz. Für weiteren Aufschwung sorgten im 18. Jahrhundert das Tuchmacherhandwerk und der Wollhandel. Der Anschluss Landsbergs an die Preußische Ostbahn ab dem Jahr 1857 beförderte endgültig die Industrialisierung der Stadt.

Im Frühjahr 1945 eroberte die Rote Armee die Festung. Landsberg wurde polnisch und erhielt zunächst die Bezeichnung Gorzów nad Wartą (Bergen an der Warthe), später wurde der Namen Gorzów Wielkopolski gewählt, zu deutsch: Bergen in Polen.

Bekannte Persönlichkeiten stammen aus Landsberg. Etwa Victor Klemperer, der durch seine Tagebücher einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. In ihnen hinterließ er ein  akribisches Zeugnis der Ausgrenzung jüdischer Intellektueller aus der deutschen Gesellschaft zur NS-Zeit. Oder die Sozialreformerin Marie Juchacz, erstes weibliches Mitglied des Reichstags sowie Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt. Zum Stadtjubiläum erhielt nun das Sozialhilfeheim Nr. 1 in Gorzow ihren Namen. Die geborene Landsbergerin Christa Wolf reflektiert in ihrem Buch „Kindheitsmuster“ die Rückkehr in ihre Heimatstadt im Jahre 1971, die sie über 20 Jahre zuvor hatte verlassen müssen. In Gestalt der Nelly Jordan, Tochter eine Lebensmittelhändlers, erzählt sie nicht von den großen politischen Umwälzungen, sondern schildert das Leben der kleinen Leute vor und während des Krieges. 

Als ich an die Warthe komme, beginnt es zu regnen. Die Brücke über den Fluss wird von Grund auf renoviert – wohl für das Stadtjubiläum. Auf einem Markt zwischen Warthe-Ufer und Brückengewölbe der Bahnlinie verkaufen Händler Obst und Gemüse, T-Shirts, Wäsche und Kosmetikartikel. Flussabwärts an der Promenade installieren Bauarbeiter Tribünen für Festumzüge und Paraden mit Flusskulisse.

Tribünenbau an der Warthe in Gorzow Wielkopolski: Vorbereitungen zu den 750-Jahr-Feierlichkeiten

 

 

 

 

In der Post kaufe ich eine Telefonkarte. Telefonieren per Handy ist zu teuer. Als ich einen Karton für ein Paket erbitte, versteht mich die Schalterbeamtin nicht. Eine Kollegin, die hervorragend Deutsch spricht, mischt sich ein. Ich bin erleichtert und erkläre ihr, dass ich ein Paket nach Deutschland schicken möchte. „So groß soll es etwa sein“, sage ich und deute mit meinen Händen den Umfang an. „Kein Problem“, sagt sie, greift nach einem Faltkarton und fragt: „Wollen Sie auch Briefmarken?“

Es gibt Begriffe, die werden fast überall verstanden. Es genügt, wenn man sie fragend betont, wie etwa: „Internet-Cafe?“ Aus Höflichkeit sollte der Fragende schon ein „sorry“ oder „pardon“ oder in Polen am Besten „przepraszam pana“ davor setzen. Doch welcher deutsche Muttersprachler kann den Zungenbrecher unfallfrei aussprechen und dann noch so, dass ihn sein polnisches Gegenüber auch versteht?

Ich versuche es trotzdem, öffne die Tür zu einen Computerladen und frage: „Przepraszam pana, Internet-Cafe?“ Der Ladenbesitzer kommt hinter der Theke hervor, geht mit mir auf die Straße, weist in eine Richtung und sagt in gebrochenem Deutsch: „In Straße zum Bahnhof, in Dworcowa, gibt es Internet-Cafe.“ „Dziekuje“, sage ich dankbar, stiefele los und frage mich: Hat er auch meine polnischen Sprachbemühungen gewürdigt?

Das Internet-Cafe ist eine Spielhölle. Jugendliche Computer-Freaks starren gebannt auf die Bildschirme. Es knallt, klingelt, hupt und dröhnt. In der Mitte des Raumes thront der Herr der Computer-Games, ein etwas fülliger junger Mann mit dunklem Bart. Für eine Stunde vor dem Monitor verlangt er drei Zloty. Also weniger als einen Euro.

Markt in Gorzow Wielkopolski (Landsberg an der Warthe): Verkauf von Obst und Gemüse, T-Shirts, Wäsche und Kosmetikartikel

 

 

 

 

Ich habe elektronische Post. Wolf, mein Freund und Nachbar, hat mir eine E-Mail geschrieben. Sie beeinhaltet Tipps  zur Handhabung meines neuen Fotoapparats und eine Wetter-Prognose: „Laut Satellitenbildern sieht das Wetter über Polen nicht gerade sonnig aus, aber nächste Woche versprechen die Wetterfrösche Besserung“, schreibt er. Am Ende der Mitteilung scheint seine „feine“ Ironie durch: „Ich wünsch Dir eine gute Salbe gegen Blasen. Alte Weisheit: Man sollte nie mit neuen Schuhen zu einer größere Wanderung starten.“

Es dämmert, als ich das Internet-Cafe verlasse. Kalter Wind schlägt mir entgegen. Die Menschen haben sich in ihre Behausungen zurückgezogen, sitzen beim Abendbrot oder vor den Fernsehgeräten. In meinem Hotelzimmer ist es angenehm warm. Draußen heult der Wind. Ich fühle mich geborgen.

Bevor ich ins Bett gehe, massiere ich meine Füße. Mir war bis zu diesem Zeitpunkt nie bewusst, dass Füße so wichtig sind! Doch es liegt auf der Hand: Ohne diese sensiblen Gehwerkzeuge gibt es kein Fortkommen! Also behandle ich sie pfleglich. Schließlich sollen sie noch über 500 Kilometer tragen. Und darüber hinaus.

 

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Anmerkungen zum Tagebuch bitte an:


Carsten Voigt

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